von links: Sandra Bayer, Betreuungsverein der Lebenshilfe, und Andrea Grunow, Betreuungsverein des Diakonischen Werkes An Nahe und Glan e.V.

Das Gespräch führte Joachim Kübler

Was hat sich per Januar 2023 im Betreuungsrecht geändert?

Andrea Grunow: Die Regelungen zur rechtlichen Betreuung befinden sich weiterhin im Bürgerlichen Gesetzbuch. Das Betreuungsrecht ist Teil des Familienrechts und ist künftig im Titel 3 des 3. Abschnitts zu finden. Voraussetzung für diese staatliche Unterstützungspflicht ist die Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit, die auf einer Krankheit oder Behinderung beruht. Das Betreuungsgericht bestellt also für den
Volljährigen einen rechtlichen Betreuer oder Betreuerin, weil der Volljährige in erster Linie seine Angelegenheiten ganz oder teilweise rechtlich nicht besorgen kann und nicht, weil er eine Krankheit oder
Behinderung hat.

Welche Veränderungen wird es noch geben?

Andrea Grunow: Zunächst wird die Besorgung aller Angelegenheiten entfallen. Das heißt, dass das Betreuungsgericht nur die Aufgabenbereiche anordnet, in denen eine gesetzliche Vertretung erforderlich ist. Dabei haben soziale Hilfen Vorrang vor der rechtlichen Betreuung. Eine weitere Veränderung gibt es unter dem Schlagwort der erweiterten Unterstützung. Die Behörden haben hiermit ein neues Instrument und den gesetzlichen Auftrag, betroffene Menschen so zu unterstützen, dass eine rechtliche Betreuung nicht nötig wird. Als weiterer wichtiger Punkt ist die Stärkung der Selbstbestimmung betreuter Menschen zu nennen. Die Wahrung, die Verwirklichung und der Schutz der Selbstbestimmung ist die „Magna Charta“ und damit der Maßstab alle Beteiligten im Betreuungswesen. Aus meiner Sicht kann man hier nicht von einer Veränderung sprechen, denn schon in der Vergangenheit hatte sich die Betreuer und Betreuerinnen nach den Wünschen der zu betreuenden Person zu richten. Allerdings stand im alten Betreuungsrecht, dass der Betreuer und die Betreuerin sich nach dem Wohl der zu betreuenden Person zu richten und zu handeln hat. Dies war eine subjektive Auslegungssache. Deshalb wurde das neue Betreuungsrecht dahingehend geändert, dass der Betreuer und die Betreuerin die Pflicht haben, nach den Wünschen der betreuten Personen zu handeln und deren Angelegenheiten so zu besorgen, dass die betreuten Personen i.R. ihrer Möglichkeiten ihr Leben nach ihren Wünschen gestalten können. Eine Abweichung ist dem Betreuer nur gestattet bei erheblicher Gefährdung, krankheitsbedingt verminderter Erkenntnis oder Unzumutbarkeit. Diese Wunschbefolgungspflicht setzt voraus, dass regelmäßige persönliche Kontakte zwischen dem Betreuer bzw. Betreuerin und betreuter Person stattfinden. Der Betreuer ist weiterhin in seinem Aufgabenbereich gesetzlicher Vertreter des Betreuten. Der Betreuer soll jedoch, so ist es im neuen Betreuungsrecht festgelegt, von seiner Vertretungsmacht nur Gebrauch machen, soweit dies erforderlich ist. Damit darf der Betreuer den Betroffenen nur vertreten, wenn andere Unterstützungsarten ohne Stellvertretung nicht ausreichen.

Was hat sich sonst noch geändert?

Sandra Bayer: Das neue Betreuungsrecht stellt, wie bereits erwähnt, die Wünsche betreuter Menschen in den Mittelpunkt und es gibt dafür eine gerichtliche Aufsicht. Das bedeutet, dass wenn es Anhaltspunkten gibt, dass der Betreuer den Wünschen der betreuten Person nicht nachkommt, sind Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger in der Pflicht, die betreute Person persönlich anzuhören. Basis dieser Kontrollaufgabe des Gerichtes ist die klare definierte Berichtspflicht des Betreuers.

Damit sind wir beim Punkt Sicherung der Qualität beruflicher Betreuung. Wie wird die Qualität des Betreuungsberufes verbessert?

Sandra Bayer: Der Zugang zum Beruf des beruflichen Betreuers/der beruflichen Betreuerin mit Anspruch auf Vergütung wird seit Januar 2023 mit den folgenden Voraussetzungen verknüpft:

Erstens mit der Registrierung bei der zuständigen Betreuungsbehörde (Stammbehörde).

Zweitens mit der persönlichen Eignung und Zuverlässigkeit, ausreichende Sachkunde für die Tätigkeit. Die nachzuweisende Sachkunde umfasst Kenntnisse des Betreuungs- und Unterbringungsrechts, des dazugehörigen Verfahrensrechts sowie auf den Gebieten der Personen- und Vermögenssorge, Kenntnisse des sozialrechtlichen Unterstützungssystems und Kenntnisse der Kommunikation mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen und von Methoden zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.

Und drittens muss der Betreuer eine Berufshaftpflichtversicherung für Vermögensschäden abgeschlossen haben. Für Betreuer, die bereits vor dem 1. Januar 2023 berufsmäßig Betreuungen geführt haben, gelten hinsichtlich der Zugangsvoraussetzungen Übergangsvorschriften. Diese Voraussetzungen sind im neuen Betreuungsorganisationsgesetz geregelt, was das bisherige Betreuungsbehördengesetz ersetzt.

Und dann gibt es ja noch Veränderungen für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer.

Andrea Grunow: Ja, das Gesetz unterscheidet die ehrenamtlichen Betreuer mit familiärer Beziehung oder persönlicher Bindung zum Betreuten, die sogenannten Familienbetreuer und die ehrenamtlichen Betreuer ohne familiäre Beziehung oder persönlicher Bindung zum Betreuten. Diese bezeichnet man als Fremdbetreuer. Die Familienbetreuer können künftig mit einem anerkannten Betreuungsverein eine Vereinbarung abschließen. Die Fremdbetreuer dagegen müssen eine solche Vereinbarung mit einem regionalen Betreuungsverein abschließen. Dies ist eine Voraussetzung, um erstmalig vom Gericht zum Betreuer oder Betreuerin bestellt zu werden. Inhalte dieser Vereinbarung sind Angebote hinsichtlich der Begleitung, Unterstützung und Verhinderung seitens des Betreuungsvereins und die Bereitschaft zur regelmäßigen Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen seitens der Ehrenamtlichen. Damit soll eine Qualitätsverbesserung der Betreuungsführung erreicht werden.