Das Gespräch führte Joachim Kübler

Die Stadtteilkoordination gibt es ja schon seit 2017 – was waren die Gründe für die Initiative?

Das erste Stadtteilbüro haben wir bereits am 01.07.2014 in Bad Kreuznach Süd-West besetzt. 2017 konnten wir dann ein weiteres Büro in Bad Münster am Stein-Ebernburg eröffnen.

Vorüberlegungen des Trägers zur Entwicklung des Konzepts „Zuhause im Stadtteil“ waren die Herausforderungen des demografischen Wandels und die damit verbundene erhöhte Pflegebedürftigkeit vieler Menschen. Gleichzeitig möchten viele, vor allem ältere Mitmenschen, möglichst lange in ihrer vertrauten Umgebung bleiben. Sogenannte Quartierskonzepte zielen darauf ab, ein Stadtgebiet oder eine Gemeinde so zu gestalten, dass auch ältere Menschen und Menschen mit Unterstützungsbedarf in ihrem vertrauten Wohnumfeld bleiben können. Dafür wird versucht, möglichst viele altersgerechte Wohnangebote sowie soziale Angebote und Unterstützungsangebote in den entsprechenden Quartieren verfügbar zu machen. Ausgangspunkt dafür sind immer die Bedürfnisse und Wünsche der bürgerlichen Bevölkerung. Dies alles kann auch nie von einem Träger alleine geleistet werden. Es geht hier um die Bildung von Kooperationen zwischen verschiedenen Dienstleistern, Kommune und bürgerschaftlichen Initiativen. Das Konzept „Zuhause im Stadtteil“ möchte dazu beitragen, dass Menschen so lange wie möglich zu Hause bleiben können und nimmt alle Menschen, die im Stadtgebiet oder Quartier leben in den Fokus.

Seit 2018 wurde ein weiteres Büro in Rheinböllen eröffnet. Dies wird seit 2022 zum Großteil von der Kommune getragen.

Wie finanziert sich die Stadtteilkoordination seit Gründung?

Die Stadtteilkoordination in Bad Münster am Stein-Ebernburg wird über das Deutsche Hilfswerk, die Stadt Bad Kreuznach und von den Franziskanerbrüdern vom Heiligen Kreuz finanziert. Diese Förderung läuft im Februar 2022 aus. Die weitere Finanzierung soll von der Stadt Bad Kreuznach, der Kuna Stiftung und den Franziskanerbrüdern getragen werden. Dies entscheidet sich in den nächsten Tagen.

Welche Anzahl an Mitarbeitenden hat das Projekt?

Das Projekt ist für 2 hauptamtliche Mitarbeiter*innen mit jeweils 50 % Stellenumfang angedacht. Zurzeit ist nur 1 Stelle besetzt.Ohne Ehrenamt würde eine solche Arbeit nicht funktionieren. Im Projekt arbeiten zusätzlich ca. 20 Ehrenamtliche, zum Teil sehr regelmäßig, zum Teil projektbezogen mit.

Welche schon bestehenden Angebote koordinieren Sie?

Zum Programm der Stadtteilkoordination gehören regelmäßige Beratungstermine, in denen Fragen aller Art entweder beantwortet werden oder an entsprechende Fachstellen vermittelt wird. Darüber hinaus gibt es Sprechstunden von externen Anbietern. So informiert ein Herr vom Schiedsamt und hilft bei rechtlichen Angelegenheiten und ein IT-Fachmann beantwortet im Rahmen einer „Mediensprechstunde“ Fragen zum eigenen Smartphone oder Tablet. Außer Einzelberatungen gibt es auch Gruppenangebote wie gemeinsames Frühstück oder Mittagessen, Spielgruppe, eine Singgruppe und geplant ist auch eine Kreativgruppe. Teilweise werden die Gruppen durch die Stadtteilkoordinatorinnen angeleitet oder begleitet, zum Teil sind die Gruppen aber auch von Ehrenamtlichen selbständig organisiert.

In den vergangenen vier Jahren sind vielfältige professionelle und ehrenamtlich organisierte Angebote entstanden, die ihre Schwerpunkte in der Begegnung, Beratung und gegenseitigen Unterstützung im Stadtteil haben. Durch Vernetzungen und Kooperationen sowie Kultur- und Betreuungsangebote hat sich das Stadtteilbüro mit der Begegnungsstätte Vielfalt zu einer beliebten und dezentral etablierten Anlaufstelle entwickelt. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie zeigen sich die bisher aufgebauten Strukturen besonders für ältere Menschen als besonders verlässlich und hilfreich. Auch digitale Angebote konnten mittlerweile etabliert werden.

Im Alter geht es ja auch immer um Gesundheit – wie und wo bieten Sie Unterstützung an?

In Zusammenarbeit mit der AOK wurden Bewegungsangebote speziell für ältere Menschen gemacht. Diese wurden alle 14 Tage durchgeführt. Des Weiteren gab es Angebote zur Übung von Stabilität und gesundheitsförderlicher Bewegung durch eine Kinästhetiktrainerin. Vorträge zu speziellen Themen des Alterns wie Vorsorgevollmacht, Barrierefreies Wohnen, Demenz etc. wurden in der Begegnungsstätte zusätzlich angeboten. Coronabedingt wurden die Angebote zeitweise ausgesetzt. Aktuell wird die Kooperation mit der AOK wiederbelebt. Über das Bewegungsangebot hinaus soll es auch ein neues Angebot zum Thema „gesunde Ernährung“ geben. Vorträge usw. sind in Planung.

Wenn es zudem um Unterstützungsbedarf bei Pflege und / oder Betreuung geht, beraten die Stadtteilkoordinatorinnen und / oder vermitteln an Pflegestützpunkt und andere Dienste.

Welche ergänzenden Projekte bieten Sie im Bereich der Sorge- und Beteiligungsstrukturen an?

Die Menschen aus dem Stadtteil, die sich beteiligen möchten, haben nicht nur die Möglichkeit, wie oben erwähnt Gruppenangebote vorzuhalten, sondern sie werden auch im Rahmen eines sogenannten Orgateams aktiv in die Planungen für die Monatsprogramme eingebunden. Sie können mitgestalten und Ideen einbringen. Außerdem wird unter „Nicht-Corona-Bedingungen“ jährlich eine Stadtteilkonferenz einberufen, um den Menschen aus dem Stadtteil ebenfalls die Möglichkeit der „Mitarbeit“ zu geben.

Gibt es auch Projekte für Alt und Jung?

In den letzten Sommerferien hat sich die Stadtteilkoordination am Projekt „Die Küchenpartie mit peb“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft beteiligt. Dabei haben 6 junge und 6 ältere Menschen gemeinsam gekocht, sich über gesunde Ernährung, regionales Einkaufen und Koch- bzw. Ernährungsgewohnheiten – früher und heute – ausgetauscht. Es wird geplant, ein ähnliches Projekt in Eigenregie zu wiederholen.

Zudem gab es eine Gruppe älterer Menschen, die monatlich in eine der drei Kindertagesstätten gegangen sind, um dort mit den Kindern zu malen, zu basteln, zu spielen und ins Gespräch zu kommen. Coronabedingt finden diese Treffen allerdings momentan nicht statt.

Im November des Jahres war Alexander Schweitzer, rheinland-pfälzische Landesminister für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung, auf Einladung des Landtagsabgeordneten Michael Simon zu Gast. Welche Finanzierungswünsche haben Sie den Politikern auf den Weg mitgegeben?

Wir wünschen uns flächendeckende, dauerhafte Strukturen für die Stadtteilkoordination. Dieser präventive Ansatz ist aus gesellschaftspolitischer und wirtschaftlicher Sicht sehr erfolgversprechend, um den Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.
Da es sich im Bereich der Daseinsfürsorge um eine kommunale Aufgabe handelt, wäre es wünschenswert, dass der Gesetzgeber die Installation von Koordinierungsstellen zur Pflichtaufgabe macht. Aufgrund leerer Kassen ist dies aber nicht möglich, das ist uns allen natürlich bewusst. Wir würden uns wünschen, dass über Grenzen hinweg gedacht wird und beispielsweise Finanzierungen über die Sozialleistungen, Pflegeleistungen, Krankenkassenleistungen sektorübergreifend genutzt und eingesetzt werden. Da es sich bei den Projekten um Stellen handelt, die alle Menschen mit Unterstützungsbedarf in den Fokus nimmt, muss aus unserer Sicht auch ressortübergreifend gedacht werden.


Stadtteilkoordinatorin

Angela von Ondarza

Stadtteilkoordination Bad Münster am Stein-Ebernburg
Begegnungsstätte Vielfalt
Kurhausstraße 43
55583 Bad Kreuznach
Telefon: (06708) 6693300
E-mail: kh-bme(at)franziskanerbrueder.org

offene Sprechstunde: Dienstags von 11 – 12 Uhr